Lob oder Anerkennung? Wir haben ein Priming-Problem in der New-Work-Bubble

Häufig lese ich in letzter Zeit, dass Lob nicht mehr angebracht sei, sondern Anerkennung. Irgendwie stolpere ich immer wieder darüber. Da heißt es zum Beispiel: „Lob ist quasi ein Schulterklopfen und beinhaltet immer, dass man sich selbst über den anderen stellt“, erklärt Killmeyer. Anerkennung ist hingegen sehr wertvolles Feedback, das auch hierarchieübergreifend funktioniert.“ Auch Lars Vollmer behauptet: „Lob manifestiert Machtverhältnisse, denn gelobt wird immer von oben nach unten“. 

Das klingt für mich auch erst einmal total logisch und ich wäre der letzte, der im Zuge der New-Work-Bewegungen auf dieser Welt dagegensprechen wollte. Zu schön klingt es, dass wir jetzt eine Lösung haben: Lob ist tot, Anerkennung klingt irgendwie besser und komplexer! Jetzt kann es weitergehen.

Trotzdem: Ich habe dann mal nachgeschlagen, wo denn der feine Unterschied in der Wortbedeutung zwischen Lob und Anerkennung ist. Ich habe den Duden aufgeschlagen und hier steht:

  1. Lob: anerkennend geäußerte, positive Beurteilung, die jemand einem anderen, seinem Tun, Verhalten o. Ä. zuteilwerden lässt. Synonyme: u.a. Anerkennung.
  2. Anerkennung: Würdigung, Lob, Achtung, Respektierung; 2a. [offizielle] Bestätigung, Erklärung der Gültigkeit, …2b. Billigung, Zustimmung. Synonyme: u.a. Lob.

Geht es nur mir so, oder erkenne ich hier weder einen feinen Unterschied noch irgendeine Form von mehr oder weniger „Schulterklopfen“? Lob und Anerkennung ist das Gleiche. Aber woher kommen dann diese häufigen Aussagen, dass Lob von oben herab sei, veraltet oder patriarchisch wo hingegen Anerkennung auf Augenhöhe geschehe?

Priming – wir können uns nicht davor entziehen!

Der Grund dafür ist das sogenannte Priming. Je öfter wir von etwas reden, je öfter Erinnerungen mit einem Wort in Verbindung  gebracht werden und darüber gesprochen wird, bringen wir am Ende das Wort mit den kollektiven Erinnerungen in Verbindung. Ein Beispiel? Viele Betriebe waren und sind streng hierarchisch organisiert – pyramidenartig. Es gibt einen Chef ganz oben und nach unten hin wird bestimmt. Das ist erst einmal weder gut oder schlecht sondern ein Fakt. Im Zuge dieser Organisationsstruktur war es üblich, dass von oben nach unten Anweisungen gegeben wurde, getadelt und gelobt wurde. Das Lob, also die Anerkennung eines Untergebenen gegenüber, war ein Instrument der Mitarbeitermotivation. Und hier kommen wir zum Pudel, ehm Kern des Missverständnisses.

Das Missverständnis liegt in der manipulativen und zielgerichteten Nutzung einer lobenden Rhetorik wie „Hast du gut gemacht, so weitermachen!“ und eines ernstgemeinten Lobs wie „Mich beeindruckt deine Beharrlichkeit. Du hast dieses Projekt alleine durchgezogen, der Kunde ist super zufrieden. Dafür meine höchste Anerkennung!“

Durch den Rat, loben Sie mal mehr ihre Mitarbeiter, haben Chefs schon vor Jahrzehnten damit begonnen, Mitarbeiter zu loben. Nicht, weil sie es so meinten, sondern weil Lob die Mitarbeitermotivation fördert und damit am Ende den Umsatz. Deswegen muss man ja loben. So wurde das „Lob“ zu einer leeren Worthülse und die Erfahrung hinter dem Lob befremdlich. Es schlich sich das Gefühl ein: Chef lobt mich wieder, damit ich Überstunden mache. Chef lobt mich wieder, weil er es im Kalender stehen hat  – jeden zweiten Montag im Monat Mitarbeiter loben.

In dieser Welt kann man verstehen, warum Menschen das Lob als Instrument eines mir Vorgesetzten verstehen, einer von oben herab genutzten Methode und nicht als das, was es sein sollte: Anerkennung!

Das wird der Grund sein, warum man sich vom Wort „Lob“ distanziert und das Wort Anerkennung in den Vordergrund rückt. Dennoch – streng genommen ist es falsch. Zumal ein Lob mitnichten von oben herab ist. Sonst gäbe es in der Religion auch kein Lobpreisen an den einen Herrn. Damit stellen sich die Gläubigen nicht über Gott*, nein, sie erkennen ihn an. So ist ein Lob an den Chef* genauso möglich und ein Schulterklopfen im richtigen Kontext kann auch was sehr schönes sein! Solange das Lob auch wertschätzend, ehrlich und anerkennend gemeint ist.

 

*Nein, ich stelle Gott nicht mit einem Chef pauschal gleich, obwohl in dem einen oder anderen Betrieb hier und da religiöse Muster zu erkennen sind, wenn es um "den Chef" geht

 

 

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