Accountmanagement im Agenturumfeld neu denken – als Plattform

Seit ungefähr anderthalb Jahren habe ich die Freiheit, Accountmanagement und agile Teams bei kuehlhaus eigenverantwortlich zu organisieren. Dabei halte ich mich an ein paar wesentliche Eckpfeiler und stelle fest: Kundenzufriedenheit ist hoch, Budget wächst und das Projektteam steht zu 100% hinter dem, was wir dem Kunden anbieten. Es handelt sich um ein Umdenken des Account-Managements. Es ist nicht topdown zu verstehen sondern als Plattform organisiert. Um diesen Gedanken in Taten umsetzen zu können, erfordert es eine Umstrukturierung. Aber eins nach dem anderen. Beginnen wir mit den 3 wesentlichen Eckpfeilern einer solchen Plattform.

Die 3 Eckpfeiler einer Account-Plattform

Eckpfeiler Nr. 1: Das Ziel von Accountmanagement

Das Ziel von Accountmanagement aus Sicht einer Agentur ist schlichtweg Kundenbetreuung und Ausweitung der Kundenarbeit, um möglichst viel Geld mit dem Kunden zu verdienen.

Eckpfeiler Nr. 2: Das Ziel des Kunden

Der Kunde will Probleme lösen. Er braucht hierzu einen Partner, der die Probleme schnell, unkompliziert und mit so wenig Overhead wie möglich löst.

Eckpfeiler Nr. 3: Das Ziel des/der Agentur-MitarbeiterInnen

Die Agentur-MitarbeiterInnen wollen spannende Projekte, klare Konzepte und Briefings und konstruktive Arbeitsweisen mit den Kunden und dem Team.

Vorne weg – nein, es kommt nicht auf den Kunden an. Es kommt darauf an, wie man sich vom Team her aufstellt, um den Kunden immer richtig zu bedienen. 

Drei Eckpfeiler, eine Plattform und viele Akteure
– eine Struktur muss her 

Diese drei Eckpfeiler sind die wesentlichen Säulen, die auf gleiche Art und Weise berücksichtigt werden müssen, um darauf eine stabile Plattform für den Kunden zu bauen. „Bauen“, hinter dem Wort steckt in erster Linie der Aufbau einer sinnvollen Struktur, die den wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Plattform hat. Diese Struktur beginnt mit den Rollen. Die involvierte Rollen für die Plattform sind der Plattform-Leader oder Teamlead, dann Rollen wie die User Experience Designer, die Entwickler, die Business Analysten und Consutlants aber auch die Projektmanager u.v.m. Die Hauptaufgabe eines Leaders ist es, diese Rollen nach Talenten zu besetzen und so zu orchestrieren, dass sie eigenständig mit ihrem Können die Plattform bespielen.

Transparente Kommunikation gewährleisten

Die Herausforderung nach außen hin ist es nun, die Kommunikation zum Kunden zu bündeln, so dass er mit so wenig Aufwand wie nötig so viel Personen wie möglich mit den richtigen Fähigkeiten erreicht und die Informationen innerhalb des gesamten Teams (Kunde & Agentur) fließen. Hierzu dienen praktische, digitale Tools wie Slack, Microsoft Teams, Confluence, Jira, etc. Es gibt eine Reihe dieser Tools, die Frage für die Agentur lautet hier: Welches Kollaborationstool kann der Kunde nutzen? Hierauf muss eine Agentur direkt eine Antwort haben, so dass die Kommunikation mit dem Kunden gewährleistet ist und so effizient wie möglich verlaufen kann. Genau diese Kommunikation ist der Schlüssel, um Vertrauen im gesamten Team aufzubauen. Denn Vertrauen wiederrum ist essenziell für Transparenz. Dieses, leider zum Buzzword verkommene, Wort ist die Grundlage einer erfolgreichen Account-Plattform.

Vertrauen aufbauen

Wenn man von der Account-Plattform aus denkt, herrscht vom Kunden her naturgemäß weniger Vertrauen der Agentur gegenüber. Aber auch Agenturmitarbeiter tun sich schwer, Kunden zu vertrauen. Um dieses Vertrauen von der Agentur ausgehend aufzubauen, müssen in der Agentur wiederum strukturelle Voraussetzungen im System geschaffen sein. Ein wesentlicher Eckpunkt ist die Verteilung von Macht innerhalb der Agentur und der Teams. Wenn es gelingt, eine Teamstruktur so aufzubauen, dass ein Teamlead nicht die Macht besitzt, disziplinarische Maßnahmen einzuleiten, Abmahnungen zu schreiben oder Menschen freizusetzen, reduziert sich automatisch Angst jedes Teammitglieds – ob offen oder subtil. Ich meine die Angst vor Fehlern, die man nicht zugeben will und lieber verheimlicht. Diese Angst ist der Sand im Getriebe einer Account-Plattform. Wenn das Agentur-Team nicht offen untereinander reden kann, wird sich dieses Verhalten auf den Kunden ausstrahlen. Jede erfolgreiche Kollaboration ist damit passé. Deswegen gilt: Fehler müssen gemacht werden, darüber zu reden ist selbstverständlich, daraus zu lernen Pflicht.

Laufende Account-Plattform im Alltag

Bei kuehlhaus heißen meine Account-Plattformen, deren Leader ich bin, Super Mario, Monkey Island und Tetris. Alle drei laufen nach ähnlichem Prinzip: Diese Plattform betreiben derzeit Entwickler, UX-Designer, Requirement Engineers, Projektmanager und ich. Gemeinsam sind wir für unsere Kunden da. Das sind mehrere und jeder soll so transparent und effizient wie möglich behandelt werden.

Kunde will alles selbst machen, wir lassen ihn

So zeigt es sich bei Kunde A zum Beispiel, dass dieser gerne selbst mitmischen will, am liebsten das Projektmanagement komplett in die Hand nimmt. Das finde wir gut. Also tun wir alles, den Kunden so zu unterstützen, dass er fast autark direkten Zugriff auf die Skills hat, die er benötigt. Wir organisieren für den Kunden die Kommunikation innerhalb des Teams, erklären ihm, wie JIRA, Confluence oder Slack zu nutzen sind. Wir besprechen auf jeder Ebene mit ihm Budgets, Meilensteine, Deadlines und neue Anforderungen. Das Ergebnis: Jedes Teammitglied ist informiert. Alle, inkl. des Kunden, wissen Bescheid von wann bis wann etwas zu erledigen ist und alle stehen dahinter, weil alle miteinander gesprochen und sich committed haben. Überlaubsübergaben werden immer dünner, weil eh jeder informiert ist.

Kunde will nichts selbst machen, wir übernehmen

Natürlich gibt es auch Kunden, die alleine von den eigenen Kapazitäten her Projekte nicht selbst organisieren können. Hier springen wir ein – übernehmen verteilt ihm Team die Organisation. Einer, der gut mit Zahlen ist, kümmert sich um Abrechnungen. Ein anderer, der gut in der Kommunikation ist, übernimmt federführend die Kommunikation über Budget und Meilensteine und wieder eine andere, die technisch versiert ist, übernimmt die Organisation des JIRA-Backlogs und das Briefen des Teams.

Flexibilität bedeutet auch, keinen Dogmen hinterherzurennen

Es mag in letzten Absatzen aufgefallen sein, dass ich explizit nicht von Rollen gesprochen habe sondern von Talenten. In vielen Fällen macht es auch Sinn, von Rollen abzulassen und die Menschen hinter der Rolle nach vorne zu bringen. Wenn jemand Entwickler ist und trotzdem gern den Kunden durch das Backlog führt, weil er es gut kann und das dadurch auch gern macht, dann soll er es machen. Es steht nirgends geschrieben, dass das nur der P.O. oder Projektmanager machen muss. So gilt das für alle Bereiche. Es muss einfach passen. Das klingt nach Chaos, ist es aber nicht. Die Struktur muss dies zulassen können. Natürlich zeigt sich in den meisten Fällen, dass die Rolle Projektmanager von einem etwas besser organisierteren Mensch ausgeführt wird als bei der Rolle des Visual Designers – aber es muss eben nicht.

Zum Schluss eine Erfolgsgeschichte aus dem realen Leben

Einer unserer Schlüssel-Kunden kam eines Tages mit einer Feature-Entwicklung zu uns. Die Anforderungen waren wie folgt:

  1. Das (sehr anspruchsvolle) Feature muss in 2,5 Wochen fertig sein, weil da Messe ist.
  2. Nehmt ihr den Auftrag an, müsst ihr liefern, sonst wird unsere Geschäftsbeziehung nachhaltig leiden. Hintergrund war, dass auf der Messe der gesamte Vorstand vor Ort war und der Ansprechpartner auf Kundenseite nun an der Stelle war, dem Vorstand das Feature entweder zu versprechen oder nicht. Er wollte sehr, sehr gern.
  3. Nehmt ihr nicht den Auftrag an, nehmen wir das bauchgrummelnd zur Kenntnis.

Man erkennt schnell die strategische Tragweite dieses Projektes. Hier waren wir an einem Wendepunkt. In meiner früheren Agentur wäre dies Top-Down entschieden worden. Das Team wäre gefragt worden, diese hätten gesagt, dass es prinzipiell geht aber schwierig wird, und Accountmanagement hätte entschieden, ob es gemacht wird oder nicht. Der Druck wäre von oben nach unten weitergeleitet worden. Man kann sich vorstellen, dass ein Committment vom Team aus dadurch nicht gegeben ist. Das Projekt wäre extrem gefährdet gewesen und keiner hätte etwas davon gehabt. Am Ende Schuldzuweisungen in alle Richtungen.

In unserem Fall lief es anders. Eines Tages kam der zuständige Projektmanager auf mich zu und erläuterte mir die oben genannten drei Punkte. Er erzählte mir, dass sich das gesamte Team bereits damit beschäftigt hätte und nun meine Meinung noch gefragt sei. Da wir als Plattform agieren und ich nur ein Rädchen im Getriebe bin, war klar, dass ich das nicht entscheiden werde und kann. Die Kompetenz, einschätzen zu können, dieses Projekt in der kurzen Zeit umzusetzen, habe und hatte ich auch da überhaupt nicht. Gleichzeitig konnte ich nicht von dem Projektmanager und den Entwicklern abverlangen, die strategische Tragweite komplett einschätzen zu können. Mir blieb nur übrig, meine Sichtweise mit einzubringen. Also war nach längerem Reden meine Antwort: „Wenn ihr dahinter steht, würde ich es machen. Wenn ihr nicht dahinter steht, dann riskieren wir zwar, dass der Kunde weniger mit uns macht, aber wir können uns nichts vorwerfen. In beiden Fällen würde ich die Entscheidung voll mittragen.“

Dem Kunden eine klare ehrliche Antwort mitzuteilen, bringt zwar in einem Moment weniger Geschäft aber dafür Glaubwürdigkeit. Wie viele Projekte habe ich schon erlebt, die in die Binsen gingen, schlichtweg aus dem Grund einer Top-Down-Enscheidung. Meistens hörte ich dann die Phrase „Aus strategischen Gründen…“. Die Meinung der Entwickler wurde oft nicht gehört oder überhört. Meistens haben die Kundenbeziehung durch solche Top-Down-Entscheidungen noch mehr gelitten.

Wie ging es nun bei uns aus? Das Team sagte von sich aus zu, dieses Projekt durchführen zu wollen. Alle wussten um die strategische Tragweite und das unternehmerische Risiko, wenn wir scheitern. Alle entschieden sich (selbstredend gegen Ausgleich), Überstunden zu machen und auch an zwei Wochenenden zu arbeiten. Wir wurden fertig – on Time, bugfrei.

Zitat vom Kunden:

Ganz ehrlich: Agenturleben war noch nie so schön!

Wie kommt man zu diesem Zustand? Es beginnt bei der Struktur der Firma und endet bei Recruiting der Leute. So wie im Fußball muss man auf dem Transfermarkt auch im Agenturumfeld schlichtweg clevere Zugänge aushandeln. Dabei gilt weder teuer ist gut noch beste Arbeitszeugnisse oder Hochschulnoten helfen am meisten. Talente müssen von Talenten gefunden werden. Talente wollen bestimmte Rahmenbedingungen, diese müssen gewährleistet sein. Alles nicht so einfach – aber machbar.

Zum Schluss: Dieser Blogpost liest sich vielleicht etwas lässig, der Weg hin zu einer Account-Plattform ist aber konzentrierte und immer fortwährende Arbeit an der Struktur, bei der man niemals den Humor verlieren sollte ;-).

Als nächsten Blogpost plane ich: Warum die Grenzen zwischen intern und extern verschwimmen, wenn eine Plattform zum Selbstläufer wird. 

Gern können wir uns hierzu einmal unterhalten! Bin erreichbar auf Twitter: clemensweins

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